Johann Sebastian Bach (1685 - 1750)
Weihnachts-Oratorium I - III
Die Weihnachtsfeiertage 1734 in Leipzig oder "Das Weihnachtsoratorium" von J.S. Bach
Im Jahre 1723 hatte BACH seine neue Stelle in Leipzig mit der Gestaltung eines Gottesdienstes an der dortigen Nikolaikirche angetreten.
Begonnen hatte er seine Musikerlaufbahn als junger 18jähriger Organist in Arnstadt mit einem beeindruckenden Probespiel, dem eine Anstellung mit guter Bezahlung folgte. Weil er aber zunehmend für sein verwirrendes und virtuoses Orgelspiel im Gottesdienst getadelt wurde, gab er die Stelle auf, war ein Jahr Organist in Mühlhausen, danach Hofmusicus und Hoforganist in Weimar.
Unstimmigkeiten mit dem Fürsten WILHELM ERNST VON SACHSEN-WEIMAR führten dazu, daß der enttäuschte BACH sich um die Hofkapellmeisterstelle in Köthen bewarb. Von 1717 bis 1723 erlebte er dort die glücklichste Zeit seines Lebens: ein musikliebender Fürst, der selbst mitmusizierte, eine Spitzenstellung (dem Hofmarschall gleichgestellt) mit exzellenter Bezahlung und die Möglichkeit, virtuose Konzerte, Suiten für die Hofkapelle, Solowerke für Violine, Violoncello und das Cembalo zu schreiben und aufzuführen.
Doch diese Jahre brachten zugleich auch den traurigsten Tag seines Lebens: als er im Jahr 1720 von einer Reise mit der Hofkapelle zurückkehrte, war seine junge Frau MARIA BARBARA gestorben. Nun stand er am Grab mit vier kleinen Kindern. In der Sorge um Wohnung und Ausbildungsmöglichkeiten seiner Kinder zog JOHANN SEBASTIAN BACH 1723 nach Leipzig in das Gebäude der Thomasschule. Er hatte sich dorthin beworben, und es erwartete ihn die Aufgabe eines Kantors und "Director musices". Das bedeutete, daß BACH die Oberaufsicht über das gesamte Musikleben der Stadt hatte. An der Thomasschule hatten sich, weil die Stelle des Kantors längere Zeit verwaist war, Schlamperei und Gleichgültigkeit breitgemacht, für BACH ein schwerer Anfang. (...)
Man kann sich durchaus vorstellen, daß bei den zahlreichen täglichen Terminen, die BACH laut Vertrag einzuhalten hatte, es ihm bei allem Fleiß nicht immer glückte, alles Aufgetragene zu erledigen.
Streitigkeiten mit dem Rat der Stadt, mit der Universität Leipzig, mit dem Rektor seiner Schule und mit manchen aufsässigen Schülern zu Beginn der 30er Jahre veranlaßten BACH, seinen Ärger zu vergessen, indem er sich mit großem Eifer außerhalb seiner lästigen Dienstpflichten engagierte. So übernahm er z.B. die Leitung des Collegium Musicum, eines ausgezeichneten Studentenorchesters, für das er komponierte und mit dem er öffentliche Konzerte veranstaltete.
Im Jahre 1733 führte BACH mit diesem Orchester zwei von ihm komponierte festliche Glückwunschkantaten auf: Eine zum Geburtstag des Sächsischen Chur-Prinzen und drei Monate später eine weitere zum Geburtstage der Königin Maria Josepha; sie trug den Titel "Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!"
Aber diese großangelegten festlichen Werke konnten leider nur einmal zu einem bestimmten Anlaß aufgeführt werden, im Unterschied zu Kirchenkantaten, die sich auf bestimmte Sonntage im Jahr beziehen; sie konnte man nach einem Jahr wieder hervorholen. Nun beabsichtigte BACH, in den Gottesdiensten der Weihnachtsfeiertage des darauffolgenden Jahres 1734 den Kirchenbesuchern besonders festliche Musik zu bieten. Was lag näher, als diese einmaligen Geburtstagskantaten durch Umarbeiten wieder zu verwenden, indem er anstelle des Glückwunschtextes einen neuen, für Weihnachten geeigneten Text dichtete und der vorhandenen Musik unterlegte. Eine solche Veränderung nennt man in der Musikfachsprache Parodie.
So entstanden sechs prunkvolle Weihnachtskantaten:
Sie wurden jeweils vor der Predigt des betreffenden Sonntags musiziert, denn sie enthielten den Text der darauf folgenden Bibellesung.
Was ursprünglich weitgehend als Huldigungsmusik für das sächsische Fürstenhaus geschrieben worden war, erklang jetzt zum Geburtstag des Sohnes Gottes in den beiden Leipziger Hauptkirchen.
Entnommen aus: Musikland, Bd.3, hrsg. v. Albrecht Scheytt u.a., Stuttgart 1994, S. 200-202.
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